Wahlkampf & Kinderpornografie

Soeben habe ich ein interessantes Video entdeckt.

Vorab zum Ersten: Bloggen über das Thema Kinderpornografie, insbesondere mit dem Setzen von Links, führte in jüngster Vergangenheit dazu, dass die jeweiligen Verfasser ins Visier der Fahnder gerieten. Ich werde daher in diesem Beitrag keine entsprechenden Links setzen. Möge jeder selber per Google recherchieren – sich aber der Vorratsdatenspeicherung bewusst sein.

Vorab zum Zweiten: Ich teile ihre Ansicht absolut, dass Kinderpornografie bekämpft werden muss. Über das “ob” herrscht somit Konsens zwischen uns. Lediglich hinsichtlich des “wie” teile ich nicht die Auffassung von Frau von der Leyen.

Als kurze Einführung zur Problematik:
Die Familienministerin Ursula von der Leyen hat das Thema Bekämpfung der Kinderpornografie in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Sie initiierte einen Vertrag mit diversen Providern, welche anhand einer Sperr-/Filterliste, welche durch das BKA bereit gestellt wird, täglich diverse Webseiten filtern. Diesen Webseiten wird dann ein Stopp-Schild vorgeschaltet mit dem Hinweis auf Kinderpornografie. Für die Filterliste gibt es bislang kein Prüfverfahren, keinen Ausschuss, welcher überprüft, was denn tatsächlich heute gefiltert wird. Darüber hinaus sollen die IP-Adressen von Nutzern, welche diese Seiten aufrufen, an die Ermittlungsbehörden übertragen werden.

Nun kann man sagen, dass der Kampf gegen Kinderpornografie doch ein löblicher ist. Durchaus, das ist unbestritten. Jedoch muss hinterfragt werden, ob es der richtige Weg ist oder nicht.

Es sind Stimmen laut geworden, die eine Zensur im Internet befürchten, eben weil die Exekutive ohne Prüfungsinstanz ermächtigt wird, Webseiten zu filtern. Zwar heißt es, dass dies nur für kinderpornografisches Material gelten soll. Aber erinnern wir uns an die Maut-Kameras auf Deutschlands Straßen. Die waren eigentlich nur zum Erfassen der Daten für Abrechnungszwecke eingerichtet. Mittlerweile sind erste Fahndungserfolge mittels dieser Kameras zu vermelden. Es ist wie in dem viel zitierten Frosch im Kochtopf:

Wirft man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser, so springt er sofort wieder heraus. Setzt man ihn hingegen in einen Topf mit kaltem Wasser, und erhitzt dann langsam diesen Topf, so wird er die leicht ansteigende Temperatur nicht realisieren und letztlich verrecken.

Eben diese Gefahr sehen viele, auch ich, hinsichtlich des Grundrechts auf Informationsfreiheit – wozu Kinderpornografie  nicht gehört. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht.

Kommen wir nun zu einigen Aussagen, die Frau von der Leyen in dieser Rede gemacht hat.

Aussage 1,
bei Minute 2:21:

Weltweit die Täter stellen, …., Bilder löschen, da wo die Quelle ist, wo die Server stehen. Aber weltweit stehen die Server zum Teil in Ländern, die Kinderpornografie nicht ächten… Da können sie von Deutschland nicht hineinregieren…

Das ist falsch und zeigt leider deutlich, wie wenig sich Frau von der Leyen mit dem Thema auseinander gesetzt hat. “Jemand” (keine Links) hat sich ausgiebig mit einer finnischen Filterliste beschäftigt und geprüft, wo denn die Server überhaupt stehen. Heraus kam eine wunderbare Karte:

Legende: weiß = keine Server
grün = wenige Server
rot = viele Server

US: 526, AU: 57, DE: 56, NL: 51, CA: 42, GB: 14, CZ: 13
KR: 5, RU: 4, BZ: 4, CN: 3, IL: 3, FI: 2, PA: 1, MY: 1, A2: 1, JP: 1, GI: 1, CH: 1
Länder gesamt: 19

Besonders interessant an dieser Liste fand ich, dass Deutschland als Hoster von Kinderpornografie weltweit auf dritter Stelle hinder Australien und den USA steht (wobei 39 der 56 Domains geparkt sein sollen). Respekt!

Eine Alternative wäre somit die Zusammenarbeit mit den benannten Ländern. Vielleicht käme man so auch an die Hintermänner. Log-Files checken, von wo wurde der Upload vorgenommen, etc. Das wäre mal was. Lässt sich aber im Wahlkampf schlecht verkaufen, da zu technisch und zu kompliziert. Das aufgebrachte Stimmvieh steht auf Verbotsschilder.

Aussage 2
bei Minute 3:23:

Dann wurde es eine Stufe schlimmer…
Es sei verfassungsrechtlich bedenklich wegen der Informationsfreiheit. Wir sollten nicht den Eindruck vermitteln, unsere Verfassung würde der Verbreitung der Vergewaltigung von Kindern Schutz geben. Das ist ABSURD. Massenkommunikation ist wichtig, ja, aber es kann ja wohl nicht soweit gehen, dass man dafür die Massenkommunikation so hoch stellt. Die Würde und den Schutz eines Kindes hinten anstellt und sagt, dies ist nachranging.

Wie eingangs erläutert bestehen die Bedenken aus anderen Gründen. Kein Gegner von Frau von der Leyen hat jemals die Aussage gemacht, dass derartige Bilder zum Recht der Informationsfreiheit gehören. Darüber herrscht Konsens auf breiter Front. Niemand hat behauptet, dass die Würde und der Schutz von Kindern hinten anstehen müsste.

Im übrigen würde ich sogar soweit gehen, dass durch die Einrichtung der Stoppschilder weltweit kein einziges Kind weniger vergewaltigt oder misshandelt wird. Eigentlich ist es, um in dem Tonfall von Frau von der Leyen zu bleiben, ABSURD, hier die Fakten so derart zu verdrehen. Es ist nicht nur absurd, es ist sogar höchst bedenklich. Bei derart verdrehten Fakten im Rahmen eines so brisanten Themas derart Stimmung zu verbreiten halte ich insbesondere im Hinblick auf die Opfer für äußerst bedenklich.

Aussage 3,
bei Minute 4:40

Dann war da der Chaos Computer Club und die Piratenpartei, die plötzlich schrien “Das ist Zensur!”. Meine Damen und Herren, Kinderpornografie im Internet anzuschauen ist Kindesmissbrauch.

Und ich rufe all denjenigen zu, die in diesem Zusammenhang von Zensur im Internet sprechen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Und das Recht gilt online genau so wie offline.

Gerade stelle ich fest, dass ich erneut auf meine Einleitung nach oben verweisen muss. Kinderpornografisches Material kann man gar nicht zensieren, denn es ist ja bereits verboten und damit kontrolliert. Die Gefahr der Zensur besteht lediglich durch diese fragwürdige Filterliste ohne Prüfungsinstanz und bislang ohne Rechtsmittel. Aber soweit hört das Stimmvieh ja nicht zu. Die meisten Leute schalten nach “Kinderpornografie blockieren? Ja, das ist gut!” ab und schauen weiter RTL2.

Selbstverständlich ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Und selbstverständlich gilt das Recht online wie offline.
So auch § 184b StGB:

Wer pornographische Schriften  (…) verbreitet, (…) sonst zugänglich macht, (…) bezieht, (…) wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Passt doch. Ist also der viel zitierten Anwendung des geltenden Rechtes auch hier der Vorzug zu geben, anstelle von irgendwelcher neuen Gesetze oder fragwürdigen Verträge mit Providern.

Man nehme sich die finnische Filterliste, sondiere die deutschen Hosting-Provider aus (von denen nach aktuellen Erkenntnissen einige in der Gegend von Hamburg stehen sollen, und mache diese platt.

Aussage 4,
bei Minute 5:55:

Mensch sein heißt, verantwortlich sein.

Den kleinen Prinzen zitierend lobt sich Frau von der Leyen am Ende selbst. Möge jeder nach Lektüre des gesamten Beitrages, der auch ein wenig die technischen Hintergründe dieses unangenehmen Themas beleuchtet hat, kritisch hinterfragen, wie verantwortlich diese Ministerin dann tatsächlich handelt, die als Spitze eines Ministeriums Spezialisten noch und nöcher zur Verfügung hat, um sich Dinge, von denen sie eher wenig Ahnung hat, erklären zu lassen.

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